Innendruck/Eigendruck
ein performatives Experiment
“Unter einem Innendruck versteht man den Eigendruck, den ein Stoff bzw. ein System auf seine Umgebung ausübt und somit eine Ausdehnung seiner selbst anstrebt.” (aus: P. Himmel: Bautechnische Physik)
Vier Performerinnen wagen gemeinsam das Experiment: Was passiert mit dem Unsagbaren in unserem Inneren? Wie reagiert unser Körper auf das, was nicht ausgesprochen wird und wie können wir die Erfahrung des Unsagbaren erlebbar machen?
Ausgehend von diesen Fragen und dem Unsagbaren als Gefühl des Eigendrucks begeben sich die Performerinnen auf die Suche nach dem, was sie nicht sagen können, dürfen oder möchten. Mithilfe selbst hergestellter Masken setzen sie sich verschiedenen Facetten des Unsagbaren – einer metaphysischen Erfahrung und dem psychologischen Schatten – aus und erforschen die Impulse aus ihrer Innenwelt. In der Begegnung werden sie gegenseitig zu Projektionsflächen und es entsteht ein intimer Raum, der die kollektive Erfahrung des Unsagbaren jedes Mal aufs Neue erlebbar macht.
Von und mit: Miriam Bach, Carlotta Bauer, Maxie Le Dévéhat, Surya Tüchler
Künstlerische Leitung: Maciek Marzec
Dramaturgie: Amelie Werner
Probenfreundinnen: Sarah Heinzel, Pia Kehl
Sa, 09.10.21, 19 Uhr + So 10.10.21, 19 Uhr
Kleine Bühne, HfMT Campus Barmbek
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Interview mit Maciek Martios
geführt von Amelie Werner
1. Wie beobachtest du das Unsagbare als Phänomen in unserer Gesellschaft?
Ich glaube, dass dieses Phänomen auf ziemlich vielen Ebenen zu sehen ist. Für mich ist am spannendsten, wo das Unsagbare daher unsagbar ist, weil es unvorstellbar ist im Sinne von „man kann das mit Begriffen nicht greifen“. Ich finde das deswegen so spannend, weil da unsere Sprache fehlt und unsere Möglichkeiten als Mensch zu denken und zu begreifen auf Grenzen stoßen, genau da entsteht Spannung.
2. Dabei geht es nicht um das Aussprechen des Unsagbaren. Woran können die Zuschauenden teilhaben?
Die Sprache ist nicht der einzige Kanal über den die Kommunikation läuft. 90% der Kommunikation findet über nonverbale Zeichen statt. Aber ich sehe das Stück als Experiment und die Idee ist, dass irgendwas auf der Bühne während der Vorstellung in den Spielerinnen passiert, die erleben irgendetwas, wirklich live in dem Moment. Es geht darum, dieses Erlebnis in ihnen zu erzeugen. Dadurch wird es dann dem Publikum vermittelt in dem Sinne, dass das Publikum Zeuge von dem ist, was gerade passiert. Ein Zeuge ist niemals neutral, Zeuge sein bedeutet, auch Teil der Situation zu sein.
3. Die Spielerinnen tragen auf der Bühne theatrale Masken, wie sah eure Arbeit damit aus?
Die Masken sind mit Bedeutung aufgeladen. Die Spielerinnen haben die Masken selbst erstellt und sich dabei in Verbindung gesetzt mit den Inhalten, mit den Gefühlen oder den Erinnerungen, die den unterschiedlichen Themen entsprechen. Wenn man so eine Maske trägt, kann man sich besser in Verbindung mit dem setzen, wofür die Maske steht, weil die Herstellung der Maske als Ritual durchgeführt wurde. Sie ist wie ein Werkzeug, um irgendwohin anzukommen.
4. Wie ist das Verhältnis von Planung und Improvisation auf der Bühne?
Die Arbeitsweise ist ziemlich auf Improvisation gelegt. Das hat mit dem zentralen Ziel zu tun, dass die Spielerinnen irgendetwas auf der Bühne erleben. Dafür muss dieses Erlebnis echt sein. Der Effekt daraus ist relativ vergleichbar von Vorstellung zu Vorstellung, dadurch dass die improvisatorischen Aufgaben klar gestellt werden und dadurch auch, dass die Spielerinnen eine gemeinsame Richtung im Sinn haben.
5 Deine Arbeitsweise ist inspiriert vom polnischen Regisseur Jerzy Grotowski. Gilt das auch für dieses Projekt?
Eine bestimmte Denkweise und das Verständnis von Theater verbinden mich mit Grotowski. Die Idee, dass Theater ein Laboratorium und die Selbsterforschung an Theaterarbeit am spannendsten ist. Also auch, dass Theater eine Verlängerung des Rituals ist. Theater als eine Praxis, die eine spirituelle ist oder sein kann. Mit diesen Mitteln kann man sich selbst erforschen, die Welt um sich herum, man kann auf das tiefste und Urmenschliche greifen, in dem man Theater, also darstellende Kunst macht. Das ist, was mich an Theater interessiert.